27. September 2012

hello heißt hola



Heute war Tag X. Beginn des Sprachkurses, zu dem ich mich wie berichtet unter größter Anstrengung und Einsatz meines Lebens (zumindest meines Nervenkostüms) vor geraumer Zeit angemeldet hatte.

Nach einem semi-spektakulären Tag im Büro räumte ich heute bereits gegen 16:30 Uhr meine Siebensachen ins Täschchen und machte mich auf den beschwerlichen Weg gen Volkshochschule, welche ob ihrer Lage leider wesentlich besser mit den Öffentlichen als mit dem privaten Verkehrsmittel erreichbar ist. Wider Erwarten verlief die Fahrt ereignis- und zwischenfallslos und ich kam just in time in der Bildungsstätte meines Vertrauens an. 

Eine kleine, dunkelhaarige Bilderbuch-Spanierin mit Namen Anna warf mir bereits im Türrahmen ein schallendes ,Hola!‘ sowie noch andere spanische Wörter entgegen, welche ich wegen meiner noch nicht vorhandenen Sprachkenntnisse dann mal wohlwollend als Begrüßung zur Kenntnis nahm. 

Der Raum füllte sich nach und nach mit den unterschiedlichsten Personen, 15 an der Zahl.  Eineinhalb Stunden lang sahen wir unsere Spanischlehrerin im Klassenraum hin- und herhüpfen, wild mit dem Arbeitsbuch gestikulierend und mit dem CD-Player kämpfend. Wir hörten diverse Wörter, plapperten diese nach, fragten unseren Nebensitzer mehrfach wie er heiße, wie es ihm gehe, übten rollende Rs und lispelten uns durch die neue Sprache. Nachdem die Hausaufgaben notiert waren und alle aufbrachen, war auch schon die erste der 15 Sitzungen Spanisch vorbei, welche sogar beinahe die Letzte gewesen wäre. 

Voller Übereifer stürzte mein Nebensitzer am Ende der eineinhalb Stunden unserer kleingewachsenen Bildungsbringerin beim Wischen der nicht höhenverstellbaren Tafel zu Hilfe und tat dies in solchem Elan, dass er die gesamte Tafel von der Wand holte. Die kleine Anna konnte im letzten Moment beiseite springen, lediglich der blecherne Mülleimer musste dran glauben. Die Tafel, die durchaus in Abmessung und sicherlich auch in Gewicht vergleichbar zu normalen Schultafeln war und deren Wandbefestigung intelligenterweise nur über ,zwei-Haken-in-Leiste-einhängen‘ konzipiert war, konnte dann postwendend und ohne Beschädigung wieder an ihren angestammten Platz verfrachtet werden, bevor noch jemand ernsthaft zu Schaden kam. Jedenfalls wäre mir kein Schaden bekannt, da ich mich danach sofort aus der Gefahrenzone brachte und auf den Weg machte.





























Draußen war es noch mild und recht hell, weswegen ich entschied, nicht den direkten Weg zur Bahn zu gehen sondern die Fußgängerzone hinunter bis zur nächsten Haltestelle zu schlendern. Auf diesem Weg passierte ich auffallend viele Straßenkünstler, denen ich mehrere Monatsgehälter in Kleingeld in ihre Hüte und Gitarrenkoffer spendete.


Hauptsächlich waren dort Musiker am Werk, aber auch eine Breakdance-Crew. Sofern ich eben in Ermangelung von szenetauglichem Wortschatz den Begriff ,Crew‘ unpassend gewählt haben sollte, so ziehe ich diesen umgehend wieder zurück. In meinen Augen sahen die 7 jungen Herren schon irgendwie aus wie eine Crew, wie sie sich in ihren Jogginghosen und Kapuzensweatshirts auf den mit Kartonage beklebten Asphalt warfen und tollkühne Akrobatik vollführten. Voller Bewunderung kam ich nicht umhin, einige Zeit stehenzubleiben und deren Tun zu beklatschen. Wie sollte ich diese Gruppierung sonst nennen? Selbstverständlich habe ich diesen Sachverhalt ausgiebig durchdacht und bringe dies nun zur Sprache, da nicht der Eindruck entstehen soll, ich würde meine Worte unbedacht wählen. Clan, Bande, Gang, Tanzgruppierung, Turnerschaft (um nur einige Alternativen zu ,Crew‘ zu nennen) schienen mir dann aber doch eher unpassend. Crew klingt modern, zeitgeistig, nicht zu kriminell und unterstreicht den Gemeinschaftsgedanken. Wie auch immer, ich sah heute jedenfalls eine Crew. 

Die musikalischen Darbietungen auf der Königstraße, wie die Stuttgarter Haupt-Flaniermeile heißt, standen den Tanzeinlagen in nichts nach. Eröffnet wurde der bunte Reigen von zwei Herren, die sich mit Keyboard und Geige bewaffnet vor Karstadt platziert hatten und eine herzerweichende Version von ,My heart will go on‘ fiedelten. Kaum war das kleine Tränchen weggewischt, kam auch schon die nächste Geige in Hörweite, dieses Mal eine einzelne junge Dame, deren vorgeführten Musiktitel ich leider nicht mehr weiß. Was ich aber noch sehr gut weiß ist, dass sie sehr schön spielte und ich auch hier stehen blieb und zuhörte. 
Die dritte Musikeinlage empfand ich für nicht wirklich erwähnenswert, aber ich erzähle sie trotzdem. Passt einfach grad so schön ins Thema. Zwei noch jüngere Damen, augenscheinlich noch am Anfang ihrer Straßenmusiker-Karriere, saßen auf dem Rand eines Brunnens, machten einen verschüchterten und beschämten Eindruck und brachten ihren durch Gitarre untermalten Song nicht mal annähernd in einen hörbaren Dezibelbereich. Daher kann ich auch hier keine Angaben zum Titel machen, was aber dieses mal nicht an meiner fortgeschrittenen Demenz liegt. Puh.

Beim Warten auf die S-Bahn wurde ich durch die mediale Fahrgast-Bespaßung am Bahnsteig noch darüber aufgeklärt, dass heute, am 26. September, der europäische Tag der Sprachen ist. Ist das nicht ein Zufall? Ein Wink mit dem Zaunpfahl, nein, mit dem ganzen Zaun? Ich habe das Gefühl, meine Sprach-Ambition steht unter einem guten Stern.
Eine Freundin erzählte mir neulich, dass auch sie einst voller Übermotivation einen Spanischkurs belegt hatte, und das einzige, was ihr bis heute davon geblieben ist, sind ein paar lausige Brocken und ein einziger vollständiger Satz: ,Ich habe 3 Kühe im Stall.‘
Ich bin gespannt, wie es bei mir weitergeht. Ich habe noch 14 Sitzungen, um ,meinen Satz‘ zu finden.